Ein Rundgang von mucbook vor der großen Schau

Der mucbook-Blogger Sebastian Gierke hat sich die Ausstellung von Cris Koch schon einmal angesehen. Und dabei gelernt: „Wenn du drüber nachdenkst, ist es zu spät.“ Ein Rundgang vor dem großen Sturm. Der Teppich ist über und über mit Farbe verschmiert. Es ist ein teuerer Teppich. Wegen der Brandschutzbestimmungen in der Villa Stuck. In seinem Berliner Atelier hat Cris Koch einfach den billigsten aus dem Baumarkt genommen, der war rot. Also ist auch der hier in dem Ausstellungsraum rot. Rot und teuer. Cris Koch wollte, dass es hier aussieht wie bei ihm im Atelier. Rot und billig.

Mit Cris Koch beginnt die Villa Stuck ihre Ausstellungsreihe Ricochet, die vier jungen Künstlern die Möglichkeit bietet, in einem großen Museum auszustellen.

Der 1975 in Neustadt an der Aisch geborene Künstler hat einen Raum im Untergeschoss zur Verfügung und das Treppenhaus. Der Raum unten wirkt wie eine Mischung zwischen Atelier und Club. Koch hat hier Soundstationen, Gemälde und Rauminstallationen aufgebaut.

In einer Ecke steht eine Bühne, darauf Instrumente, die der Künstler, der auch Musiker ist, zum Teil selbst benutzt hat, oder die er aus Schrott zusammengebaut hat. Die Bassdrum des Schlagzeugs zum Beispiel besteht aus einer Waschtrommel. Disfunktional. Nicht benutzbar.

In einem Regal stehen Vinylplatten, die Koch bemalt hat. Der Besucher kann sie auf zwei Plattenspielern ohne Tonarm abspielen, die Geschwindigkeit verstellen uns so ein sich ständig veränderndes Bild erschaffen.

Cris Kochs Bilder im Treppenhaus sind extrem unterschiedlich. Er malt auf Pappe, Holz oder Leinwand, verwendet Mischtechniken, Acryl, Sprühlack, Marker, Siebdruck, Ölkreide, Collage. Oft alles gleichzeitig, manchmal auch nur den Pinsel.

Was die Bilder verbindet ist das Gespür für starke, mächtige Zeichen, um deren Bedeutung nicht einmal der Künstler selbst weiß, wissen will, deren Kraft er aber spürt. Im Unvernutzten liegt die Stärke, im Groben. Auch im Intuitiven und Spontanen. An eine Wand hat Koch ein Gerd Müller Zitat anbringen lassen: „Wenn´s denkst, ist’s eh zu spät.“

Koch benutzt viele Elemente der Popkultur, reißt zum Beispiel auf der Straße Plakate ab und verwendet sie in seinen Werken. Er entreißt popkulturelle Zeichen ihrem Zusammenhang und setzt sie neu zusammen. Das ist ein Eintreten für das Zersplitterte, Ambivalente. Gegen alles, was bloß von Herzen kommen will. Dennoch sind die Zitate nie bloße Referenzen. Sie verschwinden in die Bilder, lassen eigene Bilder entstehen.

Eine Fluktuation von Ideen ist hier zu bestaunen, die die eine, generelle Richtung der nur scheinbaren Richtungslosigkeit vieler Richtungen, Veränderungen und Einflüsse opfert. Ähnlich wie in der Popmusik, wo man von der Filesharing-Generation aus die Geschichte nicht mehr als lineareren Fortschritt denken kann, muss man sich auch Kochs Arbeit als eine ausufernde Folge von Zitaten, Samples, kleinen, unterwarteten Schritten in die verschiedensten Richtungen vorstellen – die damit auch zu einem zeitgemäßen Beispiel der in unserer zersplitterten popkulturellen Gegenwart überhaupt noch möglichen künstlerischen Arbeitsweisen wird. Gerade die Parallele zwischen den Verhandelten Themen der Popkultur und der Art und Weise des Verhandelns zeigt die unmittelbare Auseinandersetzung mit unserer von promethischen Dynamik und nur scheinbarer Rationalität gekennzeichneten Gesellschaft.

Verrätselung und Bloßlegung zugleich: Dem Betrachter bleibt verrätselt, wie die Szenen verstanden werden wollen, welche Botschaften dahinter verbirgt.

Der Cthulhu-Mythos, vom Schriftsteller H.P. Lovecraft geschaffen, spielt für Koch eine zentrale Rolle. Oder Fußball, Sherlock Holmes, aber auch der Tod seines Vaters. Man kann danach in seinen Bildern suchen. Doch man wird auch noch viel mehr in den Bildern finden, vieles, wovon der Künstler gar nichts weiß.

„Das, was ich Text nenne, ist alles, ist praktisch alles. Es ist alles, das heißt, es gibt einen Text, sobald es eine Spur gibt, eine differentielle Verweisung von einer Spur auf die andere. Und diese Verweise bleiben nie stehen. Es gibt keine Grenzen der differentiellen Verweisung einer Spur auf die andere.“ Jacques Derrida hat das gesagt. Es klingt, als erkläre er Cris Koch.

Denn der legt viele Spuren macht den Betrachter zum Detektiv und jeder wird den Fall lösen, doch jeder wird zu einem anderen, ganz eigenen Ergebnis kommen. Nirgends findet sich hier der Glaube an den Formgedanken, an die Fähigkeit für einen bestimmten Inhalt einen allgemeingültigen Ausdruck zu finden. Nirgends ein Sinn, der sich aus der Struktur der Bilder direkt ableiten ließe, keine klaren und nachweisbaren Tatsachen, die eindeutig analytisch zu deuten sind. Der Glaube an den Logos ist erschüttert, an die Stelle des souveränen Autors tritt Kochs dekonstruktivistische Arbeitsweise mit Zitat und Montage. Er schafft so die Möglichkeit des demokratischen Betrachtens seiner Bilder. Erst der Betrachter beendet die Arbeit an jedem Bild. Jeder Betrachter beendet sie anders. Vielleicht fängt einer sogar an, den teuren Teppich zu putzen?

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