Die Ausstellungseröffnung von „SCHÖNHEIT STÄRKE LEIDENSCHAFT. Die Plastiken Franz von Stucks in den Historischen Räumen neu präsentiert“ war in mehrerlei Hinsicht eine ungewöhnliche.
Zunächst einmal war es die erste Ausstellungseröffnung, die wir nach der Wiedereröffnung unseres Museums feiern durften. Eine große Freude, die zugleich latente bis deutlich sichtbare Züge des momentanen Alltags trug: Desinfektionsmittel, Mundschutz und Abstandsregeln werden auch hier im Museum zur Routine. Verzichtet haben wir deshalb auf eine abendfüllende, gedrängte Vernissage. Stattdessen zelebrierten wir die Rückkehr einer ganz besonderen Plastik Franz von Stucks (die „Phryne“ – mehr dazu unten) in das Museum Villa Stuck mit freiem Eintritt, verlängerten Öffnungszeiten und der Möglichkeit, vor Ort Fragen an Sammlungsleiterin und Kuratorin Margot Th. Brandlhuber zu stellen.
Geradezu weitsichtig wirkte natürlich das Begleit-Motto zur Ausstellung in diesen Zeiten: „COME CLOSE!“. Das detaillierte und feingliedrige bildhauerische Werk Franz von Stucks will schließlich aus nächster Nähe und mit genauem Blick erfasst werden, während die Besucher*innen untereinander den gebotenen Abstand wahren mussten.
Obwohl sein malerisches Werk deutlich umfangreicher ist: In der „Form“ machten frühe künstlerische Wegbegleiter Franz von Stucks sein eigentliches Metier und seine vielleicht größte Begabung fest. Die Bildhauerei gehört deshalb zu den spannendsten Kapiteln in der Entwicklung des jungen Künstlers Franz von Stuck.
Der intime Bezug, den die Exponate hier zum Ausstellungsraum einnehmen ist außergewöhnlich. Es wäre also sicher ein Frevel gewesen, die Neupräsentation der Plastiken Franz von Stucks nicht in den Historischen Räumen des Künstlerhauses zu inszenieren, hier, wo eine reiche skulpturale Ausstattung vom künstlerischen Gesamtwerk und den Leidenschaften Franz von Stucks zeugt.
Inmitten dieser gewaltigen Kulisse entfalten die bronzenen Skulpturen im reziproken Spannungsfeld sowie im Kontext der opulenten Räumlichkeiten eine ganz neue Strahlkraft. So werden spannende Gegenüberstellungen wie die von Stucks Statuette der „Speerschleudernden Amazone“ mit dem antiken „Verwundeten Kentaur“ möglich – während ein augenscheinlich übel gelaunter Beethoven von der Wand aus das kämpferische Duell zu verfolgen scheint.
Apropos Beethoven: Ihm hat Franz von Stuck eine gleichnamige Skulptur zum Andenken gewidmet, welche Kuratorin und Sammlungsleiterin Margot Th. Brandlhuber ganz besonders fasziniert, wie sie den anwesenden Besucher*innen bei der Fragerunde am Nachmittag verrät:
„Als Beethoven sehr jung war, hat er die Menschen mit himmelstürmender Musik berauscht – in späteren Jahren hat er den Musikern und dem Publikum beinahe Schmerzen zugefügt und Gewalt angetan mit der Düsternis seiner Musik. All das sieht man in dieser klitzekleinen Skulptur, die wir hier präsentieren.“
In Zeiten monumentaler Raum-Installationen ist eine Präsentation dieser selten die Metergrenze übersteigenden Bronze-Plastiken sicher ein Gegenentwurf. Die Besucher*innen haben die Chance auf Tuchfüllung mit den Bildhauereien zu gehen, ganz nahe zu kommen, sie dabei in ihrer Ganzheit zu erfassen. Genau dazu fordert das Motto der Ausstellung auf: „COME CLOSE!“. Komm ganz nahe. Eine kluge Wahl, denn es liegt auf der Hand: Im Alltag müssen wir momentan ja vielmehr respektvollen Abstand zueinander halten.
Der ausschlaggebende Anlass für die Neuausstellung der Plastiken Franz von Stucks ist der Neuerwerb eines der wenigen erhaltenen Abgüsse der „Phryne“ – eine antike Figur von magischer Aura, die zugleich das emanzipatorische und starke Frauenbild des Schöpfers repräsentiert, welcher die griechische Hetäre hier in Szene setzt. Die bronzene Plastik wurde auf der Biennale in Venedig 1926 ausgestellt und wanderte kurz darauf als Hochzeitsgeschenk in den Besitz einer Nichte von Tochter Mary von Stuck. Dank des Fördervereins der Villa Stuck konnte die Phryne vor kurzem auf dem freien Kunstmarkt erworben werden und wurde dem Museum daraufhin überlassen.
Bei angenehm-sommerlichen Temperaturen durften wir also eine gelungene Ausstellungseröffnung erleben. Oder wie es Sammlungsleiterin Margot Th. Brandlhuber es am Nachmittag ausdrückt: „Wir feiern das Coming Home der Phryne zu uns in die Villa Stuck!“
Fotos: Mirja Kofler
Tags: Franz von Stuck, STUCKPLASTIKMVS