Abbas Akhavan in der Villa Stuck – oder die Negation des Museums

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Rauchspuren am Fenster, undurchdringbare Thujenhecken in den Räumen, an den Wänden sichtbare Löcher – der kanadische Künstler Abbas Akhavan spielt radikal mit der Institution Museum. 

Eine Mauer aus Hecken

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Wo ist der Ein- oder Ausgang?

Wer die erste Einzelausstellung des jungen kanadischen Künstlers Abbas Akhavan in der Villa Stuck betritt, sieht sich mit einer mächtigen Barriere konfrontiert. Eine fast 3 Meter hohe Thujenhecke versperrt den Weg und vor allem die Sicht. „Untitled Garden“ heißt das Werk, das ganz offensichtlich ausgrenzt. Akhavan hatte die Idee für das Werk, als er mit Freunden nachts in der Nachbarschaft unterwegs war: „Uns ist aufgefallen, dass diese Hecken eigentlich eher bedrohlich und sehr abweisend wirken.“ Schon im 16. Jahrhundert wurden Hecken aus Thuja occidentalis verwendet, um privates Eigentum zu kennzeichnen. Blickdicht grenzen sie Gärten und private Grundstücke ein. Mitten in den Ausstellungräumen fordert Akhavan die BesucherInnen dazu auf, diese Mauer zu umschreiten und förmlich einzutauchen in die Ausstellung.

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Besucher vor dem zweiteiligen Werk „Study for a Blue Shield“.

Die Negation des Museumsbetriebs

Akavan öffnet die Räume der Villa Stuck. Er schaltet die Klimaanlage und die künstliche Beleuchtung ab, öffnet dauerhaft geschlossene Fenster und gibt den Blick auf unrenovierte Wände frei. Rauchspuren sind innen an den Fenstern zu sehen, so als ob es draußen – in der Welt – gebrannt hätte. So haben die Münchner Kunstinteressierten die Räume der Villa Stuck noch nie gesehen. Und das merkt man. Begeistert betreten die BesucherInnen den ehemals geschlossenen Balkon, der nun den Blick in den Garten der Villa Stuck freigibt. Ganz automatisch fragt Akhavan durch diese radikalen Änderungen und Öffnungen nach den Grenzen des Museums.

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Ein neuer Blick auf die Villa Stuck und den zweiten Teil von „Study for a Blue Shield“.

Denn eigentlich haben Museen ja die Aufgabe des Bewahrens. Sie schützen Kunstwerke, klimatisieren Räume, sind abgeschlossen, sicher und sorgen für gestreutes Licht, damit Kunstwerke keinen Schaden nehmen. Was kann und muss ein Museum als Institution also heute leisten? Und wie definiert jeder und jede für sich selbst eigentlich Kunst?

Vom Kleinen ins Große

Den Kuppelsaal ganz oben in der Villa Stuck beherrscht zum Beispiel das Werk „Variation on Ghost“. Mehrere Tonnen dunkle Erde wurden in die Form von Tatzen gepresst. Sie sind eine Art Kopie der steinernen Lamassu-Steinstatuen vor dem archäologischen Museum in Mossul, die im Februar 2015 vom sogenannten islamischen Staat zerstört wurden. Was bedeutet also das Bewahren von Kultur, das Konservieren für die Nachwelt? Akhavans Gedanke: Die Vergänglichkeit liegt im Wesen der Dinge. Was als kulturell schützenswert gilt, kann durch gesellschaftliche Veränderungen schnell untergraben werden. Die Grenzen sind fließend.

Neu: der Katalog zur Ausstellung

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Akhavan (links) vor dem Werk „Bird“ im Garten.

Die Ausstellung läuft noch bis 1. Oktober. Außerdem erscheint ein Katalog im DISTANZ Verlag mit einem Vorwort von Michael Buhrs und Verena Hein, Beiträgen von Burcu Dogramaci (Professorin mit Schwerpunkt Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart an der LMU München), Vassilis Oikonomopoulos (Assistant Curator, Collections International Art, Tate Modern), Amy Zion (freie Kuratorin, Toronto) sowie einem Gespräch zwischen Abbas Akhavan und Verena Hein.

Installationsfotografien: Jann Averwerser, Gestaltung: Anne Stock, 128 Seiten, deutsch/englisch, ISBN 978-3-95476-206-4, ab 25. August im Museum zum Preis von 19,80 Euro (Museumspreis) erhältlich.

 

 

 

Beitragsbilder: Bernd Ducke

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