Die Kunsthistorikerin Corinna Rösner leitet als stellvertretende Direktorin die Neue Sammlung, das Designmuseum in der Pinakothek der Moderne. Ihre Gedanken zur Fengel’schen Fotografie:
Ich scheitere ja schon manchmal an seinen Martenstein-Zeichnungen. Versteh ich einfach manchmal nicht. Inzwischen scheint mir: muss ich gar nicht verstehen. Der Fengel, der listige Hund, befeuert die Lust am Schauen. Aber was sage ich jetzt zu diesem Bild? „Nicht zu mir!“ hat er zweimal betont – ja, eh klar.
Ich find das Foto so unheimlich.
Ist das wirklich?
Die Raumsituation ist völlig unklar.
Raumverloren.
Ich zweifle gleich an meiner Wahrnehmung.
Irrenhaus?
Treppenhaus? Stiegnhausglanda? Mir fällt sofort H.C. Artmann ein. Sein schreckliches Gedicht vom kindavazara:
„kölaschdiang kölaschdiang …“
Ja, ja, es ist kein rundes Treppenhaus – wenn überhaupt eins – und hat keine Tiefe. Nicht wie bei Hitchcocks Vertigo. Schwindlig sollte einem also nicht werden. Es ist gar kein Treppenhaus!
Wo hängen dann diese Metallteile? Ist das eine Wand?
Weiß gestrichen, etwas schmuddelig, mit Schleifspuren, als hätten die Geländer, Bettenden – was? – mal hin und her geschaukelt wie Glocken, vor allem eins davon: das rechts oben.
Aber sind die Dinger überhaupt rechtwinklig wie ein Betthaupt oder -ende oder Geländer oder was?
Oder seh ich sie bloß so, weil ich denke, es muss so sein?
Mehr als schräge Perspektive.
Bis auf das Ding links unten sind die Rohrenden offen, wie zum Zusammenstecken oder Anstücken.
Die Rohre haben unterschiedlichen Durchmesser. Sind hohl, leicht; die Haken, die man sieht, sind nicht sehr stark.
Das Ganze ist sowieso eher mickrig, windig, so ein falscher Glanz und spießige Schnörkel.
Aber definitiv unheimlich.
Nein, kein Blut. Farbe!
Irgendwas stimmt nicht.
Die Dimension? Ist das groß? Klein? Wie groß ist der Abstand zwischen vorne und hinten?
Länger hinschauen hilft auch nicht. Das Bild entzieht sich.
Dabei kommt mir vor, als läge mir die Bedeutung auf der Zunge – auf der Iris, auf der Retina, auf der Hirnregion, wo die Bilder entstehen … so geh ich durch die Iris auf die Retina, steig in mein Hirn, wo die Bilder entstehen.
Ein Begleitblog zum Projekt “Wachs” von Martin Fengel:
Martin Fengel schickt jede Woche einem Künstler, Autor und anderen Menschen, dessen Arbeit oder Werk er besonders schätzt, ein Foto mit der Bitte, dies zu betrachten und ein paar Zeilen über die einströmenden Assoziationen aufzuschreiben. So entsteht zu dem optischen auch ein textliches Kompendium, was sowohl die Möglichkeit der Interpretation oder einfach nur der Beschreibung birgt.
Auf mucbook und im Blog der Villa Stuck zeigen wir jeden Montag – wenn das neue Bild aufgehängt wird – was sich eine Person dazu dachte.
Tags: Fotografie