Ein Spaziergang durch die Historischen Räume

historische Räume

Ein bisschen durch die Historischen Räume der Villa Stuck schlendern, hier und da stehen bleiben und dabei interessante Details über die Kunstwerke sowie Franz von Stuck erfahren. Das geht nun auch virtuell.

Seit März könnt ihr euch auf Instagram und Facebook jeden Sonntag auf einen Spaziergang durch die Historischen Räume der Villa Stuck begeben. Anhand von Fotos mit detaillierten Texten gibt die Sammlungsleiterin Margot Th. Brandlhuber Einblicke in das Leben und das Haus von Franz von Stuck.

Ein kleinen Einblick, was es alles in der Villa zu entdecken gibt, geben wir hier mit den Erläuterungen und Hintergründen unserer Sammlungsleiterin:

Das Vestibül

 

 
 
 
 
 
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Die Besucher Franz von Stucks betraten seine Villa einst durch das große Bronzeportal an der Prinzregentenstraße, das auf der Außenseite mit einem Gorgonenhaupt zur Abwehr von Unheil geschmückt ist. Empfangen wurden sie im Vestibül, das nicht nur als Vorraum, sondern auch als Antikengalerie dient. Stuck formt aus den Abgüssen berühmter Reliefs und Figuren ein Bildprogramm, das seinen geistigen Kosmos widerspiegelt – nicht mit zufällig angebotenen Originalen, sondern zahlreichen Antikenkopien verschiedenster Epochen aus den bedeutendsten Sammlungen Europas.

Der helle Steinton des Raumes vermittelt zwischen dem Außenbau und der märchenhaften, mystisch glühenden Dunkelheit des golden glänzenden Empfangssalons, der dem Vestibül folgt. Elegant zurückhaltend wirken die antikisierende Ornamentik schwarzer und ockergelber Linien an den Wänden, der umlaufende Spiralfries und der geometrische Stil der Kassettendecke nach archaischem Vorbild. Das römisch anmutende, schwarz-weiße Fußbodenmosaik ist mit den Symbolen Taube, Löwe und einer Schlange im Zentrum – als antikem Haus- und Schutzgeist – geschmückt.

In zwei hohen Figurennischen stehen sich die Abgüsse berühmter antiker Skulpturen als Verkörperung von Mann und Frau antagonistisch gegenüber. Die Venus von Medici gehört zu den berühmtesten Antiken Italiens und befindet sich bis heute in den Uffizien in Florenz. Franz von Stuck hat seinen Abguss farbig gefasst und so platziert, dass sie dem schwarz patinierten Standbild des jugendlichen Siegers Idolino (Museo Archeologico, Florenz) als männlichem Pendant gegenübersteht. Beide Skulpturen verweisen auch auf die Erbauer und Bewohner des Künstlerhauses, Franz und Mary von Stuck, die noch im Planungsjahr der Villa 1897 heirateten.

Ebenfalls im Vestibül befindet sich der Abguss der berühmten Medusa Rondanini aus der Glyptothek München (römische Kopie nach einem griechischen Werk des Phidias um 440 v. Chr.) – von Franz von Stuck farbig gefasst:

 

 
 
 
 
 
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Der tödliche Blick der Medusa. Nein, Franz von Stuck wollte seine Gäste beim Betreten seiner Villa nicht sogleich in Schockstarre versetzen. Doch mit dem Abguss der sogenannten Medusa Rondanini, auf der Wand gegenüber dem Eingang wählt er ein durchaus ungewöhnliches Motiv für ein Vestibül. Was hat es mit diesem dämonisches Mischwesen auf sich? Inhaltlich grausam und zugleich von außergewöhnlicher Schönheit: ein Gesicht mit Flügeln, loderndem Haar, dem Kranz aus zwei miteinander verflochtenen Schlangen, halbgeöffnetem Mund mit den sichtbaren Zähnen.

Dem antiken Mythos zufolge ließ der Anblick des schlangenumkränzten Haupts der Medusa jeden Menschen im Augenblick des Blickkontakts zu Stein erstarren. Der Perseus-Sage nach, gelang dem Helden die ihm gestellte Aufgabe der Tötung der Gorgone mit Hilfe eines glänzenden Schildes, das ihm von Pallas Athene überreicht wurde. Dieser Spiegel ermöglichte ihm, sich der gefährlichen Gorgone zu nähern, ohne ihr direkt in die Augen zu schauen und das Monster zu enthaupten. In der Odyssee und in der Aeneis fungiert die Medusa als Kopfgespenst der Unterwelt, das gemeinsam mit anderen chthonischen Geistern Eindringlinge vertreibt, beziehungsweise diese durch ihren Anblick versteinert.

In der Kunst der griechischen Klassik vollzog sich der Wandel vom einst hässlichen Dämon zur schönen Frau. Ihre betörende Schönheit wird zum Ausdruck von Gewaltsublimierung. Der griechische Bildhauer Phidias schuf das Medusenhaupt vermutlich als schützendes Amulett für das Schild der Kolossalstatue der Athena aus Gold und Elfenbein im Parthenon von Athen. In diesem Sinne verwendete auch Franz von Stuck das Haupt der Medusa Rondanini im Vestibül seines Hauses zur Abwehr von Unheil.

Von hier kommt man in den Empfangssalon:

 

 
 
 
 
 
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Für den Empfangssalon entwarf Stuck auch das einzigartige Ensemble von Möbeln mit Appliquen in Form etruskischer Löwenköpfe und Koren aus feuervergoldeter Bronze, elfenbeinartigen Intarsien und Seidendamastbespannung, mit denen er auf der Pariser Weltausstellung 1900 eine Goldmedaille gewann. Sie sind in ihrer strengen und dekorativen Gestaltung integraler Bestandteil von Stucks Vorstellung einer Villa in unverwechselbar eigenwilligem Stil. Die Möbelbezugsstoffe wurden nach Originalvorlagen nachgewebt. 

Im Obergeschoss, im Künstleratelier Franz von Stucks, findet man dieses geheimnisvolle und berüchtigte Portrait – „Die Sünde“:

 

 
 
 
 
 
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„Der Ruhm des Bildes trieb uns durch die Säle; nirgends verweilten wir und öffneten die Augen erst, als wir ihm gegenüber standen… Ein Halbkreis von Neugierigen umgab es, nun starrten wir auf die Haar- und Schlangennacht“, so beschreibt der Münchner Arzt und Lyriker Hans Carossa Jahre später in seinem autobiografischem Roman „Das Jahr der schönen Täuschungen“ die Wirkung der Sünde – und fügt hinzu: „Viele hielten die Sünde für das größte Kunstwerk aller Zeiten.“ Kaum jemand konnte sich dem Bann der Sünde entziehen – biblische Eva und moderne Femme fatale zugleich. Die erste Fassung des Gemäldes war das Skandalbild der 1. Ausstellung der Münchner Secession 1893, die Stuck als einer der Initiatoren mitbegründet hatte. Der Skandal um sein Bild war aber auch der lang ersehnte Befreiungsschlag der neuen Künstlergruppe der Secessionisten, ihr Ziel: eine Revolte des Künstlertums gegen die unzufriedene und gekränkte Mittelmäßigkeit, Widerstand gegen die etablierte und kommerzialisierte Kunst, die jede Entwicklung blockierte. Mit der Secession wird München DIE Kunstmetropole Deutschlands – und Vorbild für andere Secessionen in Wien oder Berlin, machtvoller Aufbruch in die Moderne.

Die Sünde schenkte Stuck seinen größten Erfolg und machte den 30-jährigen in seiner schillernden Persönlichkeit zum Star der Münchner Secession. Noch 1893 wurde er zum jüngsten Professor der Münchner Akademie ernannt und war ab sofort Garant für den jährlichen Kunst-Skandal. Mit weiteren Fassungen der Sünde deckte er in der Folgezeit den Bedarf internationaler Museen und Sammler, insgesamt sind heute 13 Versionen bekannt. 
In der letzten monumentalen Fassung seines Künstleraltars, dem sogenannten Altar der Sünde nimmt die vorliegende Version des Gemäldes die Stellung des Altarblattes ein.

Ob da jemand noch fleißig üben muss? – Ein humorvolles Motiv zeigt das Gemälde „Dissonanz“ ein Stockwerk tiefer:

 

 
 
 
 
 
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Ein ungleiches Paar sitzt auf einem Felsblock vor hohem blauem Himmel: ein bocksbeiniger Faun und ein rothaariges Kind mit Bockshörnern auf der Stirn. Der Mund des Kindes fährt die Rohrpfeifen einer Syrinx entlang und erzeugt so derartige Misstöne, dass sich der Faun hoch aufgereckt abwendet und schmerzverzerrt die Ohren zuhält. In einem Nacktfoto, das offenbar Stucks Frau Mary in der Villa aufgenommen hat, posierte der Künstler selbst als Faun für das bukolisch-humorvolle Thema. Er verwendete häufig Fotografien seiner Ehefrau Mary aus dem gemeinsamen Studio in der Villa Stuck als Grundlage für die Erarbeitung von Stellungen und Gesten in seinen Kompositionen. Die zeitgenössische Diskussion um Konsonanz und Dissonanz der atonalen Musik, deren erste Werke um 1908/09 komponiert wurden, könnte für Stuck Anlass zu seiner witzig-bukolischen Bildfassung geliefert haben.

Konsonantere musikalische Darbietungen bot Franz von Stuck seinen Gästen im aufwendig dekorierten Musiksalon nebenan:

 

 
 
 
 
 
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Seine monumental theatralische Wirkung erhält der Musiksalon durch seinen bühnenartigen Charakter, intensivste Farb- und magische Lichteffekte. Seine Dekoration wurde nicht nur von Stuck entworfen, sondern auch weitgehend von ihm ausgemalt. Die Betrachter*innen finden sich inmitten der illusionistischen Architekturmalerei eines antiken Atriums und blicken durch ein rotes Gebälk in den sternenglänzenden Nachthimmel: Milchstraße, Sternzeichen, ein Komet, in der Mitte eine elektrische Leuchte als Sonne. Anlass für die Einrichtung eines Musiksalons war Stucks Ehefrau Mary, sie trat bei privaten Einladungen als Sängerin auf und lud im Musiksalon zu Konzerten ein.

Das Bildprogramm der beiden Hauptwände zeigt Musik, Tanz und Theater als Ausdruck der Kunstphilosophie Friedrich Nietzsches. Das Fresko der Südwand ist dem sagenhaften Orpheus und somit der apollinisch-musischen Sphäre gewidmet. Der mythische Sänger empfängt die durch seine Musik verzauberten Tiere: »Wenn Orpheus sang, dann kamen die Tiere der Erde, die Vögel der Luft, die Fische im Wasser und lauschten.« Die Macht der Musik auf Körper, Geist und Emotionen des Menschen, die Musik als Inspiration für Malerei und die Synästhesie gehören bis heute zu den großen Bildthemen der Kunstgeschichte.

Kurz frische Luft schnappen Besucher der Villa anschließend im Künstlergarten:

 

 
 
 
 
 
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Die begrünte Pergola dient als Wandelgang und erstreckt sich, geschmückt von Antikenreliefs, über die gesamte Westseite des Villengeländes. An ihrem Ende führt eine Treppe bis zur Balustrade mit dem Bronzebild der Kapitolinischen Wölfin. Das Wahrzeichen Roms ist Ausdruck der Antikenbegeisterung des Künstlers Franz von Stuck. Neun Hermen mit den Porträts antiker Persönlichkeiten flankieren die Pergola und die streng rechteckigen Rasenfelder, in denen sich die geometrische Fassadendekoration des Künstlerhauses widerspiegelt.

Zurück im Erdgeschoss des Hauses: Der „Wächter des Paradieses“ (1889) markierte den Beginn von Stucks junger Karriere als Maler

 

 
 
 
 
 
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Die Welt, in der wir leben, ist fragil und verwundbar. Paradiesvorstellungen sind Gegenentwürfe zum Leben im Jetzt und Hier. Doch wie sieht es aus, wenn das Paradies verloren geht? Als Wächter des Paradieses erscheint in überlebensgroßer Gestalt der Erzengel Michael, der dem Menschen nach dem Sündenfall mit seinem Flammenschwert die Rückkehr in den Garten Eden verwehrt. Die ungewöhnliche Darstellung zeigt den Wächter erstmals nicht in Rüstung, sondern in einem durchscheinenden Gewand vor – auch das ist neu – abstrakter Landschaft. Der faszinierende Hintergrund changiert zwischen Gelb, Rosa, Ocker und Blau, formt Sterne, stiebende Funken und Rosetten. Zeitgenossen erkannten im Wächter ein Selbstbildnis Stucks, der in Leben und Werk einen auffälligen Hang zur Selbstdarstellung zeigte. Der 26-jährige Stuck konnte das Gemälde nach seiner ersten Ausstellung im Münchner Glaspalast zu einem enormen Preis verkaufen und wurde mit einer goldenen Medaille preisgekrönt. Mit diesem überwältigenden Erfolg markiert es den Beginn von Stucks Karriere als Maler. Heute gilt das Gemälde als bedeutender Beitrag zur symbolistischen Malerei in Europa.

Als „Selfies“ noch etwas aufwendiger waren – Franz von Stucks Selbstportrait hängt ebenfalls hier und wacht mit aufmerksamen Augen über die Historischen Räume:

 

 
 
 
 
 
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Der Kopf des 35-jährigen Franz von Stuck füllt das kleine Bild und rückt dem Betrachter sehr nahe. Der fast finstere Blick der dunklen Augen wirkt geradezu bedrängend, der weiße Stehkragen verleiht dem Porträt eine straffe Ausrichtung. Stuck demonstriert so forciert ein Selbstbewusstsein, das in der hohen Anerkennung der Münchner Gesellschaft und internationalen Künstlerschaft gründet, die sich der 1863 geborene Müllersohn aus Tettenweis in Niederbayern erarbeitet hat. Er besuchte die Münchner Kunstgewerbeschule und die Akademie bis 1885. Anfangs verdiente er Geld mit Kunstgewerbe-Entwürfen, Illustrationen und Karikaturen. 1889 wurde er bereits mit einer Goldmedaille für den Wächter des Paradieses ausgezeichnet und 1892 gehörte er zu den Mitbegründern der Münchener Secession. Als Juror, jüngster deutscher Akademielehrer und Maler kontrovers diskutierter Bilder war er aus der Münchner und internationalen Kunstszene nicht mehr wegzudenken.

Auch seine Frau und Muse Mary von Stuck verewigte der Münchner Sezessionist in einem bekannten Portrait:

 

 
 
 
 
 
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In Stucks Leben spielten zwei Frauen namens Mary, sowohl als Musen als auch Modelle, eine bedeutende Rolle. Die Amerikanerin Mary Hoose, verwitwete Lindpaintner, war als Sängerin und Schönheit der Münchner Gesellschaft bekannt. Franz von Stuck heiratete sie 1897 und begann noch im selben Jahr mit den Planungen seiner Villa. Mary war eine begabte Fotografin, Stuck verdankte ihr zahlreiche Modellaufnahmen, aus denen er Studien für seine Gemälde entwickelte.

Und weiter geht’s…

Weitere Räume und Kunstwerke gibt es jeden Sonntag auf dem Instagram Kanal der Villa Stuck sowie unter dem Hashtag #historischeräumemvs zu entdecken.


Fotos: © Karolina Jakovljevic, Nikolaus Steglich (Medusa, Wächter des Paradieses, Die Sünde)

Texte der Spaziergänge © Margot Th. Brandlhuber

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