Die Ausstellung „Manifesto“ des Künstlers Julian Rosefeldt zeigt die filmische Umsetzung von Künstlermanifesten. Die Schauspielerin Cate Blanchett schlüpft in 13 verschiedene Rollen und füllt die radikalen Texte mit Leben. In diesem Beitrag möchte ich drei Filme der Installation im Detail vorstellen.
1. Futurismus
Eine Brokerin, kaugummikauend, unruhig mit dem Stuhl rollend. Die Augen immer auf das Quartett an Bildschirmen auf dem Schreibtisch vor sich gerichtet. Das Handy läutet, die Börsenkurse fallen rot und steigen grün in der Matrix des Computerprogramms. Konterkariert wird die Hektik der Szene durch die gedämpften Geräusche und die Slow-Motion des Films.
„We believe that this wonderful world has been further enriched by a new beauty: the beauty of speed.“
Was Filippo Tommaso Marinetti 1909 in seinem futuristischen Manifest proklamiert, scheint in der rastlosen Finanzwelt heute seinen Platz gefunden zu haben. Der nächste Millionenbonus ist im Rausch der Geschwindigkeit kaum vom nächsten Crash zu unterscheiden. Die gehetzte Finanzwelt steht damit für die Janusköpfigkeit des Fortschritts: So schnell wie hoch, kann es auch wieder runter gehen.
2. Pop-Art
Die bedrückende Enge des Esszimmers wächst mit jeder Gabel, die die Hausfrau akkurat neben den Tellern platziert. Die Strenge des amerikanischen Vorortes, in der Kinder von der gefährlichen, aber auch spannenden Außenwelt abgeschnitten aufwachsen. Das scheinbar harmonische Familienleben zeigt kurz sein wahres Gesicht: der Vater kommt zu spät zum Gebet und man kann sich vorstellen, wie sich daran das nächste, versteckte Drama entzündet. Genau diese Leichen in den Kellern, das Schicksal hinter den Fassaden zeigt sich in Details wie der Geflügelschere neben dem Braten oder den ausgestopften Tieren im Nebenzimmer.
Diese spießig-unheimliche Umgebung war es, gegen die die amerikanische Pop-Art aufbegehrte.
„I am for art (…) which you can spill your dinner on, like an old tablecloth. I am for the art of sweat (…)“
Diese Worte schreiben gegen den American Dream an, der jeder Mittelschichtsfamilie ein aufgeräumtes Haus mit Vorgarten und Doppelgarage verspricht. Denn auch wenn diese Ruhe zunächst verlockend erscheint, wird doch jede Kreativität unterm Rollrasen erstickt.
3. Konzeptkunst / Minimalismus
Studiolicht, mit Make-up zugekleisterte Haut und die Stimme des Regisseurs aus dem Off. Die Nachrichtensprecherin ist kühl, professionell und überlässt nichts dem Zufall: der Teleprompter kann vom Zuschauer mitgedacht werden. Dann eine Schalte, Cate Blanchett interviewt Cate Blanchett. Am Ende sehen wir noch, was passiert, wenn die Kameras ausgehen: Der Regen – fake. Der Wind – fake. Und auch die Reporterin verschwindet teilnahmslos. Eher auf der Suche nach Kaffee als im Rausch der Gefühle, die sie eben noch an die Zuschauer vermittelt hat.
„All current art is fake (…) All of man is fake.“
Elaine Sturtevant berührte 1999 in Bezug auf Kunst, was heute oft den Nachrichten vorgeworfen wird: Fake-News schallt es aus Amerika zu uns herüber. Ob das zur Entstehungszeit des Films 2015 schon geplant war oder sich zufällig ergeben hat: Spannend ist dieser Aspekt auf jeden Fall. Denn gerade die Konstruiertheit, das Konzeptdenken von Nachrichten, Eliten und zeitgenössischer Kunst ist vielen Wählern neuerdings zum Feindbild geworden. Früher, so sagen sie, war alles einfacher und besser. Die Politik ebenso wie die Malerei.
Dieser Artikel stammt von Julian Stalter und ist Auftakt unserer neuen Reihe „Blog-Studenten“. Julian Stalter ist Student der Kunstgeschichte, 27, Symbolismus-Fan, aber auch sehr an zeitgenössischer Kunst & Design interessiert. Schreibt auch bei der Bayerischen Akademie des Schreibens im Literaturhaus und ist hoffentlich bald auch wieder journalistisch aktiv. Zudem nahm er am Kunstgeschichtsseminar „Museum und Internet“ von Prof. Dr. Hubertus Kohle teil.
Beitragsbild: Julian Rosefeldt, Manifesto (Film still), 2015
© Julian Rosefeldt und VG Bild-Kunst, Bonn 2017