Eröffnung: „Bis ans Ende der Welt und über den Rand – mit Adolf Wölfli“

 
Adolf Wölfli mit Beret, um 1920, Adolf Wölfli-Stiftung, Kunstmuseum Bern

Am 28. April eröffneten wir die Ausstellung „Bis ans Ende der Welt und über den Rand – mit Adolf Wölfli“. Gezeigt werden 70 Arbeiten von Adolf Wölfli (1864-1930) gemeinsam mit 70 Werken weiterer „Weltenschöpfer*innen“, darunter Arbeiten von Hans Arp, Joseph Beuys, William S. Burroughs, VALIE EXPORT, Anselm Kiefer und Constance Schwartzlin-Berberat. Die Ausstellung spiegelt die überwältigende Schönheit der Arbeiten von Adolf Wölfli, der mit seinem künstlerischen Hauptwerk der „Skt. Adolf Riesen-Schöpftung“ auf mehr als 25.000 Seiten ein inspirierendes Gesamtkunstwerk schafft, welches Zeichnung, Dichtung und Komposition vereint. Dieses Grenzen sprengende Werk entsteht in den Jahren 1908 bis 1930. In dieser Zeit ist Wölfli als Patient in der Psychiatrischen Heilanstalt Waldau bei Bern interniert.

Zum ersten Mal wird das Werk von Wölfli in der Ausstellung im Museum Villa Stuck im Dialog mit anderen künstlerischen Positionen unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten gezeigt. So stellt das Projekt den Begriff der „Outsider-Kunst“ in Frage. Heute noch werden Künstler*innen, die wie Wölfli in psychiatrischen Einrichtungen lebten, bzw. Leben als „Outsider“ bezeichnet. Gleichzeitig betont die Ausstellung die Spielräume und Möglichkeiten von Kunst. Sie hat die Kraft, Menschen zu berühren, eingefahrene Denkmuster zu überwinden und Veränderungen in Gang zu setzen. Es geht um die großen Themen unserer menschlichen Existenz: Weltenschöpfung und Erlösung, Vision und Utopie, Missbrauch und Versöhnung, Sinn und Wahnsinn. Das umfangreiche Projekt vereint in 10 Räumen Objekte aus den Bereichen Zeichnung, Fotografie, Malerei, Skulptur, Literatur, Film und Musik.

„Mehr als eine Ausstellung“ – die Online-Eröffnung am 28.4.

Das Programm des „Livestreams“ zur Eröffnung der Ausstellung nimmt die grenzüberschreitende und verbindende Strategie des Projektes auf. So sind die Reden von Michael Buhrs, Direktor Museum Villa Stuck, Katrin Habenschaden, 2. Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München und Roland Wenninger, Kurator der Ausstellung, eingebettet in ein künstlerisches Programm: Auszüge aus dem „Trauer=Marsch“ (1928-1930) von Wölfli – gelesen von Meret Matter, der Stummfilm „Mysterien eines Frisiersalons“ (1922) von Bertolt Brecht und Erich Engel mit Karl Valentin in der Hauptrolle, Ansichten aus der Ausstellung von Jann Averwerser und die Videoperformance „Cash Machine“ (2016) von Nezaket Ekici.

Hier zur Begrüßung von Villa Stuck Museumsdirektor Michael Buhrs:

Michael Buhrs weist in seiner Rede auf die Dringlichkeit der in der Ausstellung behandelten Themen hin. Heute sei es mehr denn je von Bedeutung, ein Verständnis für die Grundbedingungen unsere menschlichen Existenz aufzubauen. Dies sei kein einfacher Weg, aber ein lohnender, versöhnlicher und versöhnender. Er dankt in diesem Zusammenhang besonders dem Kurator Roland Wenninger, der nach seinem Projekt mit Thomas Hirschhorn „Never Give Up The Spot“ vor zwei Jahren in der Villa Stuck wiederum das existentielle Thema das Mensch-Seins in der Gesellschaft zum Thema einer Ausstellung macht. Michael Buhrs richtet seinen großen Dank an alle Menschen, Institutionen und Leihgeber, die das Projekt – trotz der Widrigkeiten der Pandemie – ermöglicht haben.

Hier zur Eröffnungsrede von Münchens zweiter Bürgermeisterin Kathrin Habenschaden:

Wölflis Kunst überschreitet Grenzen – das hält auch Katrin Habenschaden fest, die an diesem Abend die Ausstellung eröffnet. In der Figur des Grenzgängers, wie sie Wölfli verkörpert, erkennt sie auch eine gesellschaftliche Funktion: Grenzgänger*innen zeigen uns mögliche neue Wege und zugleich ihre Gefahren. Es sei wichtig, den Blick auch auf das Unbequeme zu richten, Schubladen aufzureißen. Nach wie vor gäbe es großen Diskussionsbedarf, wenn es darum geht, zu bewerten, wie Künstler und Werk unter bestimmten Voraussetzungen zusammengehen. Wie gehen wir mit der Tatsache um, dass Wölfli auf Grund von Kindesmissbrauchs verhaftet, verurteilt und schließlich mit der Diagnose „Schizophrenie“ in der Heilanstalt Waldau bei Bern untergebracht wurde? Es sei wichtig, sich auch auch diesen Themen zu stellen.

Hier zur Einführung von Kurator Roland Wenninger:

Der Kurator Roland Wenninger gibt in seiner Rede Einblicke in die zweijährige Vorbereitungszeit des Projektes und die kuratorische Zielsetzung. Von Anfang an war klar, dass das Projekt eine gesellschaftspolitische Ausrichtung haben soll. Nach intensiver Forschungsarbeit im Adolf Wölfli-Archiv, konnten die Themenkreise der Ausstellung bestimmt werden: Biografie als Material, die Verbindung von Kunst und Leben, Weltaneignung und Weltenschöpfung, „Künstler-Ich“ und die Errichtung eines männlichen Künstler-Mythos, die Errichtung einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung und die Verzahnung der Gattungen zum musikalischen Gesamtkunstwerk. Alle in der Ausstellung vertretenen Künstler*innen nehmen Bezug zu diesen Themen. Das Projekt gehe damit über eine Kritik des Begriffs „Outsider-Künstler“ hinaus – hin zu den großen, existentiellen Themen des Mensch-Seins. Gerade der Dialog von Kunstwerken verschiedener Künstler*innen setze die Kraft frei, eingefahrene Sichtweisen in Frage zu stellen und den Blick zu weiten. Es gehe darum, nicht nur die glänzende Oberfläche zu genießen, sondern auch zu schauen, was darunter schlummert und diesbezüglich eine eigene Haltung zu finden.

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