#StuckatHomeMVS: Maya Schweizer „Stimmen“ – Filmprogramm Teil 1

Am 21. Oktober wurde im Museum Villa Stuck im Beisein von Maya Schweizer die Ausstellung „Stimmen“ eröffnet, die bislang umfassendste museale Präsentation ihrer Arbeiten. Nur wenige Tage später, am  2. November, wurden die Museen geschlossen. Umso mehr freuen wir uns, dass Maya Schweizer gemeinsam mit der Kuratorin der Ausstellung, Sabine Schmid, ein Filmprogramm zusammengestellt hat, das in den kommenden Wochen in vier Teilen gezeigt wird.

Zu sehen sind alle Filme aus der Ausstellung im Museum Villa Stuck bis auf „Voices and Shells“ (2020). Für diesen, speziell für das Museum Villa Stuck produzierten, Film muss man ins Museum kommen, wenn es am 1. Dezember wieder öffnet. Als speziellen Bonus stellt Maya Schweizer aber ihren Film „Sous les Jardins, Villa Torlonia“ (2014), der nur während dieses Programms begleitend zur Ausstellung laufen wird.

Alle Filme laufen für einen begrenzten Zeitraum im Rahmen von #STUCKATHOMEMVS auf dem Youtube-Kanal des Museums Villa Stuck.

Passing Down, Frame One
(Überliefern, Teil eins)
Video, 11ʹ, 2007


Maya Schweizer, Passing Down, Frame One, Installationsansicht Museum Villa Stuck, 2020; Foto: Jann Averwerser © Maya Schweizer und VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Passing Down, Frame One stellt Schweizers Familiengeschichte in den Mittelpunkt. Die Künstlerin rekonstruiert fragmentarische Erinnerungen ihrer jüdischen Großmutter, die 1944 nur dank eines Missverständnisses der Deportation aus Lyon entging. Der Film springt zwischen Frankreich und Deutschland, zwischen den Vierzigerjahren und dem Alltag Schweizers in der Gegenwart hin und her. Dieses Hin und Her prägt auch die Bild-Text-Ton-Struktur des Werks: Visuell wird der geografische Raum aufgelöst und wechselt zwischen Aix-en-Provence, Berlin und Lyon, während die Zuschauer*innen Schweizers Großmutter über ihre Vergangenheit sprechen hören. Eingefügte Textblöcke erscheinen auf dem Bildschirm und verbinden Meta-Erzählung mit Familiendokumentation.

A Memorial, a Synagogue, a Bridge and a Church
(Ein Denkmal, eine Synagoge, eine Brücke und eine Kirche)
Video, 12ʹ, 2012


Maya Schweizer, A Memorial, a Synagogue, a Bridge and a Church, Installationsansicht Museum Villa Stuck, 2020; Foto: Jann Averwerser © Maya Schweizer und VG Bild-Kunst, Bonn 2020

In Maya Schweizers Video A Memorial, a Synagogue, a Bridge and a Church wird ein Platz zur Laborsituation, die Künstlerin zur minutiösen Beobachterin alltäglicher Verhältnisse. Wo sind wir? Der Schauplatz ist der „Fischplatz“, Rybné námestie, in Bratislava. Hier steht das Holocaust-Denkmal, eine fünf Meter hohe Bronzestatue des slowakischen Künstlers Milan Lukáč. Sie wurde 1996/97 an der Stelle der alten Synagoge aufgestellt. Von der detailreichen Beobachtung der Materialien, aus denen die Skulptur und der Platz bestehen, führt Maya Schweizer den Betrachter filmisch um den Ort. Die merkwürdigen Überlagerungen der Epochen und deren Gestaltungsparameter an diesem Platz wären ohne die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges, aber auch ohne die Erfindung des Automobils, sicher völlig anders ausgefallen. Die Zeit nach 1945 wirkt hier exemplarisch wie ein Übergriff der Nachkriegsmoderne. Sie resultiert in einer nicht wiedergutzumachenden Versehrtheit, die seitdem diesen Ort beherrscht und jeden seiner Bestandteile, das Denkmal, die Synagoge, die Brücke und die Kirche, betrifft.

Text: Brigitte Franzen

 

Manou, La Seyne-sur-Mer
Video, 9ʹ 30ʹʹ, 2012


Maya Schweizer, Manou, La Seyne-sur-Mer, Installationsansicht Museum Villa Stuck, 2020; Foto: Jann Averwerser © Maya Schweizer und VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Auf die Frage „Hast du Freunde hier im Pflegeheim?“ beschreibt Maya Schweizers Großmutter in einem streckenweise sehr klaren und wachen, stellenweise aber auch sehr verträumten Monolog, wie sie sich in ihrem neuen Zuhause fühlt. Die Frage wurde an einem Nachmittag gestellt, den sie nicht im Altersheim verbrachte, sondern „en famille“ mit Verwandten. Der Film zeigt eine fragmentarische Rekonstruktion eines Gedankenflusses, der zu keinem Abschluss kommt.

Text: Dorota Kenderova and Jaro Varga

 

Le soldat mourant des Milles
(Der sterbende Soldat von Les Milles / The Dying Soldier of Les Milles)
Video, 13ʹ, 2014


Maya Schweizer, Le soldat mourant des Milles, Installationsansicht Museum Villa Stuck, 2020; Foto: Jann Averwerser © Maya Schweizer und VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Der Film Le soldat mourant des Milles zeigt die Gedenkstätte Le Camp des Milles – eine im Zweiten Weltkrieg als Internierungslager genutzte alte Ziegelei in Aix-en-Provence – und das Denkmal eines sterbenden Soldaten, welches den im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie im Algerienkrieg Gefallenen gewidmet ist. Der dargestellte Soldat ist verwundet und lehnt an Sandsäcken. Die Kamera bewegt sich um ihn und den Platz herum. Sie nimmt den Rhythmus des zu seinen Füßen stattfindenden Pétanque-Spiels auf und zeigt dem Betrachter diese beiden Orte der Erinnerung so, wie sie heute aussehen.

Text: Thomas Kilpper

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