SANDRA HOFFMANN ÜBER MARTIN FENGEL #22

Über Sandra Hoffmann heißt es in der Presse, sie habe in ihren Romanen eine „Sprache, die ganz zart Erinnerungen beschwört und damit gewaltige Gefühle auslösen kann.“ Mit eben dieser Sprache kommentiert die Schriftstellerin Sandra Hoffmann diesen Montag die Fotografie von Martin Fengel.

Eichhörnchen, sag ich, Sperlinge, Saatkrähen, Sonntagsbesucher sind schon diese Wände hinauf gerannt, geklettert, die Kante entlang, haben rosa geleckt, haben rosa gepickt, haben sich die Schenkel wundgescheuert an der eisernen Kante, haben Platz machen müssen für den Kleiber, weil der immer aus der Gegenrichtung kommt.
Im Zimmer wohnt ein Rettungssanitäter ohne Aufgabe. Er will sich nicht zeigen, er sagt keinen Namen, sagt kein Wort: zu den Tieren nichts, zu den Wänden nichts. Er ist ein Himmelsbesteiger, der sich nicht in die Welt traut. Die Tiere fürchten ihn. Er hinterlässt keine Spuren, er schreibt keine Zeichen in den Schnee, ins Tapetenpapier, er macht kein Geräusch. Der Kleiber schaut von oben und spricht Zaubersprüche. Die Eichhörnchen wünschen sich Nüsse vom Himmel. Nichts passiert. Der Rettungssanitäter ist kein Erfüllungsgehilfe. Er trägt sein Utensil an den Wänden entlang.

Ein Begleitblog zum Projekt “Wachs” von Martin Fengel:
Martin Fengel schickt jede Woche einem Künstler, Autor und anderen Menschen, dessen Arbeit oder Werk er besonders schätzt, ein Foto mit der Bitte, dies zu betrachten und ein paar Zeilen über die einströmenden Assoziationen aufzuschreiben. So entsteht zu dem optischen auch ein textliches Kompendium, was sowohl die Möglichkeit der Interpretation oder einfach nur der Beschreibung birgt.

Auf mucbook und im Blog der Villa Stuck zeigen wir jeden Montag – wenn das neue Bild aufgehängt wird – was sich eine Person dazu dachte.

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