Susanne Ehrenfried und Benjamin Bergmann über Martin Fengel #35

Reden und Rätseln: Susanne Ehrenfried, die Kuratorin der Munich Re Art Collection, und der Münchner Künstler Benjamin Bergmann machen sich Gedanken über das fehlende Bein im Fengelblid der Woche.

„S: Es kommt immer darauf an, welchen Blickwinkel man einnimmt.
B: In den Tagen kurz vor Neujahr spielt vielleicht auch die Standfestigkeit eine große Rolle.

S: Es ist schon erstaunlich, dass man sich bei diesem Bild so sehr auf das eine Bein konzentriert, das nicht zu sehen ist.
B: Genau, eigentlich muss bei einem Tier (Reh, Kuh, Esel – definitiv handelt es sich hier um keinen Elefanten) ja noch ein weiteres Bein kommen, das ja vielleicht bewusst weggelassen wurde, weil man auf drei Beinen stabiler steht als auf allen Vieren.
S: Kommt wie gesagt immer darauf an, aus welcher Perspektive man das sieht. Ein Vierbeiner steht auf drei Beinen auf keinen Fall stabiler. Und ein Zweibeiner benötigt ein „drittes Bein“ nur, wenn er ein Problem mit seinen Beinen hat. Aber auf jeden Fall fehlt auf diesem Bild das vierte Bein. Und das ist natürlich nicht alles. Es fehlt der gesamte Körper. Um was handelt es sich hier eigentlich?
B: Definitiv um keinen Elefanten!

S: Da stimme ich zu. Aber ich finde es faszinierend, wie es Martin mit seinen sehr speziellen Bildkompositionen immer wieder schafft, dass man sich um das Drumherum, den Gesamtkontext, aus dem er den gewählten Ausschnitt gewissermaßen exzerpiert und hervorhebt, Gedanken macht und versucht die Situation zu entschlüsseln. Dabei gibt es doch auch in diesen Details der Darstellung so viel zu entdecken.
B: Jetzt wird es aber verdammt kunsthistorisch. Mal anders: Martin hat wahrscheinlich als Kind immer weit über den Rand des Blattes gemalt und da hat er natürlich Ärger mit seine Mutter bekommen – wegen der bemalten Tischdecken!
S: Auf jeden Fall sind Martins besondere Blickwinkel gerade wegen ihrer Fokussierung auf das eigentlich Unspektakuläre so speziell und regen zum Nachdenken an. Es gelingt ihm in seinen Bildern, gerade im Schäbigen oder Beiläufigen eine Schönheit und Sinnlichkeit zu entdecken, die auf zärtliche Weise Geschichten erzählt.
B: Das hast Du sehr poetisch formuliert! Anders gesagt, der Künstler beschenkt uns mit seinem Kosmos und wir bedanken uns!? Nicht nur, dass er uns ganz klar ein Bein vorenthält: Martin weiß, was wir nicht sehen! Oder er hat gesehen, was wir nicht wissen.
S: Ja, und damit macht er sichtbar. Drei Tierbeine aus bemaltem Zement auf einer insularen Grünfläche im Sonnenlicht eines in die Jahre gekommenen italienischen Spielplatzes. Oder was meinst Du?
B: Da bin ich d`accord. Aber es könnte auch Disneyland in den USA, ein Park in Mexiko, Japan, Malaysia, Indien und so weiter sein. Vielleicht sogar Sibirien, wenn mal kein Schnee liegt und obendrein die Sonne scheint!

S: Ja, es sind Bilder, die zwar eine bestimmte Situation dokumentieren allerdings ohne die Absicht, einen konkreten Ort darzustellen. Durch das Weglassen der Verortung wird eine Art Universalität geschaffen, die den Betrachter in eine Stimmung versetzt. Es sind daher auch in gewisser Weise Stimmungsbilder, die gerade durch ihre Unbestimmtheit und Offenheit Erinnerungen an Erlebtes oder Gefühltes hervorrufen – und darin liegt ihre besondere Kraft.“ (Susanne Ehrenfried und Benjamin Bergmann)

Fengel`scher Bildatlas – der Nachklapp: Auf mucbook und im Blog der Villa Stuck zeigen wir noch bis 4. März jeden Montag Texte verschiedener Autoren zu Bildern von Martin Fengel. Die Zugabe rekrutiert sich aus Bildern, die im Rahmen des Kunstprojektes „Wachs“ bereits ihren Platz im Foyer der Villa Stuck gefunden hatten, als das Begleit-Blog startete.

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